AID-Systeme

Blick über die Schulter einer jungen Frau auf ein Smartphone, auf dem verschiedene Kurven zu sehen sind
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Ein AID-System (Automatische Insulin-Dosierung, es werden auch andere Begriffe wie Closed Loop oder Künstliche Bauchspeicheldrüse mit ähnlicher Bedeutung gebraucht) besteht aus der Kombination eines rtCGM-Systems mit einer Insulinpumpe. Beide Systeme werden durch einen Algorithmus gesteuert, der auf einem Computer (z.B. einem Smartphone) hinterlegt ist. Dieses geschlossene System führt dem Körper abhängig von der gemessenen Glukose Insulin zu und ahmt dadurch die natürliche Funktion der Bauchspeicheldrüse bei stoffwechselgesunden Menschen nach. 

Es gibt unterschiedliche Algorithmen mit Stärken und Schwächen. Im Vergleich zu anderen Formen der Insulintherapie (ICT-Therapie oder alleiniger Insulinpumpentherapie) mit oder ohne CMG können die Glukoseschwankungen durch AID-Systeme deutlich reduziert werden, insbesondere kann es zu weniger Hypoglykämien, insbesondere nachts, kommen.

Welche Arten von AID-Systemen gibt es?

AID-Systeme sind schon länger in der Entwicklung, doch erst in den letzten Jahren sind verschiedene Systeme zur Marktreife gekommen. Grundsätzlich kann man vier Entwicklungsstufen unterscheiden:

  1. Hybrid-AID-Systeme, die den basalen Insulinbedarf in bestimmten Grenzen automatisch regeln, bei denen die UserInnen aber das Bolusinsulin zu den Mahlzeiten nach wie vor selbst abrufen müssen.
  2. Advanced Hybrid-AID-Systeme, die ebenfalls den basalen Insulinbedarf bedarfsgerecht anpassen. Auch hier müssen die UserInnen den Bolus für die Mahlzeiten individuell abrufen. Hat man dies mal vergessen oder sich im Hinblick auf die Dosis verschätzt, gibt das System einen automatischen Korrekturbolus ab.
  3. Vollständig geschlossene AID-Systeme, die auch den Bedarf an Mahlzeiteninsulin selbsttätig abgeben.
  4. Bihormonelle AID-Systeme, die neben dem Insulin auch dessen Gegenspieler Glucagon abgeben (es wird auch die Option der Infusion eines dritten Pankreas-Hormons, Amylin, diskutiert) und die so die Wirkung des Insulins „bremsen“ können.

Während die ersten beiden Optionen bereits zugelassen sind, sind die anderen beiden Systeme noch in der Entwicklung, werden aber voraussichtlich in den nächsten Jahren zugelassen werden.

Arbeitet ein AID-System selbstständig, ohne dass ich etwas tun muss?

Das Ziel aller AID-Systeme ist, die Menschen mit (Typ-1-)Diabetes bei ihrer Therapie zu entlasten. Doch auch wenn ein AID-System im Einsatz ist, müssen sich die Menschen mit Diabetes trotzdem in regelmäßigen Abständen um ihre Therapie kümmern. Sie müssen z.B. die Glukosesensoren des CGM-Systeme und die Infusionssets der Pumpen wechseln, das Smartphone aufladen und den Alarmen und Hinweisen des Systems nachgehen. 

Insulin sollte möglichst vor den Mahlzeiten abgegeben werden, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Das bedeutet, dass die Nutzer*innen verstehen müssen, wie die Systeme funktionieren, um die Hinweise richtig interpretieren zu können. Dafür ist es notwendig, dass die Nutzer*innen eine strukturierte Schulung erhalten. Wenn die Nutzer*innen nicht ausreichend im Umgang mit den Systeme geschult sind, können diese die – oftmals sehr hohen – Erwartungen nicht erfüllen, die in sie gesetzt werden.

Was sind „interoperable Systeme“?

Ein neuer Trend der letzten Jahren sind sogenannte „interoperable Systeme“, bei denen keine feste Kombination aus CGM-System, Pumpe und Algorithmus einer Firma vorliegt, sondern die eine Kopplung von unterschiedlichen Komponenten ermöglichen. Erste Systeme haben bereits eine Zulassung erhalten und werden auch bereits genutzt. Der Vorteil für Menschen mit Diabetes ist, dass sie sich so ein AID-System nach ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen aus einer Art Baukastensystem zusammenstellen können.

Funktionieren AID-Systeme zuverlässig?

Der Einsatz von AID-Systemen wird inzwischen nicht nur in wissenschaftlichen Studien evaluiert, sondern auch unter Alltagsbedingungen von Menschen mit Diabetes. Bei praktisch allen Studien führte die Nutzung der AID-Systeme zur einer Reduktion der Schwankungsbreite der Glukosekonzentrationen, was mit einer Verbesserung der Time in Range sowie einer Reduktion der Anzahl von Hypo- und Hyperglykämien einhergeht. Bei den meisten gut geschulten PatientInnen ist auch eine Verbesserung des HBA 1 c zu verzeichnen.

Was meinen der Begriff "loopen" in diesem Zusammenhang?

Die Nichtverfügbarkeit von kommerziellen vollständig geschlossenen AID-Systemen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass technikaffine Menschen mit Diabetes sich ihre AID-Systeme selbst bauen. Diese sogenannten Looper sind unter dem Hashtag #wearenotwaiting im Internet sehr aktiv und tauschen sich rege über ihre Erfahrungen aus. 

Es gibt verschiedene Ansätze durch Zusammenbau von verfügbaren CGM-Systemen und Insulinpumpen mit selbstentwickelten Algorithmen, um solche Systeme zu verwirklichen (z.B. OpenAPS, AndroidAPS und Tidepool Loop). Der Vorteil dieser Vorgehensweise für die User*innen ist, dass die Systeme genau auf deren individuellen Bedürfnisse angepasst werden können. Problematisch ist hingegen die rechtliche Situation, vor allem in Bezug auf Haftungsfragen. Zudem verlangt das Loopen interessierte und informierte Menschen mit Diabetes, die die Anforderungen an ihr Diabetesmanagement sehr gut durchdrungen haben, zumal bei DIY-Systemen keine Helpline zur Verfügung steht, um auftretende Probleme zu lösen.