Warum wirkt das Insulin nicht? Tipps für Ihre Suche

Insulinflasche mit Spritze
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Menschen mit Diabetes Typ 1 sind aufgrund des absoluten Insulinmangels auf eine Therapie mit Insulin angewiesen, einige Menschen mit Diabetes Typ 2 benötigen im Laufe ihrer Therapie ebenfalls Insulin. Die Behandlung mit dem Hormon ist für sie überlebenswichtig. Wenn der Blutzucker von Betroffenen steigt und steigt, obwohl sie sich wie gewohnt Insulin mit einem Pen oder einer Pumpe verabreichen, kann verständlicherweise schnell Panik aufkommen: Was stimmt mit dem Insulin nicht?

In solchen Fällen gilt es, die Ursache systematisch zu ermitteln. Ein vermeintlich unwirksames Insulin kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Hier eine Checkliste:

Blick aufs Haltbarkeitsdatum

Ist das Haltbarkeitsdatum des verwendeten Insulins abgelaufen, spürt man das nicht – aber es ist trotzdem gefährlich, denn eventuell wirkt das Hormon dann nicht mehr. Daher sollte man bei unerklärlich hohen Blutzuckerwerten zunächst die Haltbarkeit des verwendeten Insulins überprüfen. Außerdem wichtig: Nicht-angebrochene Ampullen gehören in den Kühlschrank, angebrochene sollte man maximal vier Wochen ungekühlt verwenden. Auch bei falscher Lagerung kann das Medikament seine Wirkung verlieren, sodass nach dem Haltbarkeitsdatum auch überprüft werden sollte, seit wann die aktuelle Ampulle ungekühlt im Einsatz ist.

Tipp: Um nicht den Überblick zu verlieren, am besten das Datum auf der Insulinverpackung, auf einem Notizzettel oder im Smartphone notieren, wenn man eine neue Ampulle aus dem Kühlschrank holt. Im Zweifelsfall eine neue Ampulle für die Blutzucker-Korrektur verwenden.

Rückblick: War es zu heiß oder zu kalt?

Insulin ist robuster als man gemeinhin denkt. Extreme Temperaturen schaden ihm trotzdem nachhaltig: Weder sollte man Insulin bei über 30 Grad lagern, noch verträgt es Minustemperaturen. In beiden Fällen kann es seine Wirksamkeit verlieren. War das Insulin bei einem unerklärlich hohen Blutzucker vielleicht vor Kurzem länger in der prallen Sonne oder im geparkten Auto im Sommer gelegen? Wurde es versehentlich im Tiefkühlfach gelagert?

Tipp: Bei Minustemperaturen die Insulinampullen in Körpernähe transportieren – beispielsweise in einer Jackeninnentasche. Für heiße Monate bieten sich spezielle Kühltaschen und -systeme an, damit das Insulin im Temperatur-Sollbereich bleibt. Auch hier gilt: Im Zweifelsfall eine neue Ampulle für die Blutzucker-Korrektur verwenden.

Insulin dringt nicht durchs Gewebe

Häufig schleichen sich Lieblingsstellen zum Spritzen oder Anlegen des Pumpenkatheters ein. Werden Hautpartien allerdings zu häufig für die Injektionen von Insulin genutzt, kann das Gewebe an diesen Stellen vernarben. Dies kann die Aufnahme von Insulin hemmen oder komplett verhindern.

Tipp: Regelmäßig die Spritzstelle wechseln. Spezielle Schablonen oder eigene Notizen helfen dabei, den Überblick zu behalten. Bei akut hohen Blutzuckerwerten trotz Insulininjektion immer auch die Spritzstelle kontrollieren – eine Hautverhärtung kann ein Hinweis auf Vernarbungen sein.

Technische Ursachen

Das Insulin kann aber auch völlig in Ordnung sein und trotzdem vermeintlich nicht wirken – wenn etwa der Katheter der Insulinpumpe verstopft oder beschädigt ist, sodass der Durchfluss nicht funktioniert. Einige Pumpenmodelle melden in solchen Fällen entsprechende Alarme, aber darauf verlassen sollte man sich nicht. Vielleicht sitzt auch der Katheter nicht mehr richtig unter der Haut oder die Nadel des Insulinpens wurde zu häufig oder falsch verwendet? Denn nicht vergessen: Für jede Injektion eine neue Nadel verwenden, da schon nach einmaligem Gebrauch Nadeln ihre Durchgängigkeit verlieren können.

Tipp: Alle verwendeten Hilfsmittel überprüfen, im Zweifelsfall neue Nadeln und Katheter verwenden!

Erhöhter Insulinbedarf

Wenn der Körper mit einem Infekt zu kämpfen hat, ist der Insulinbedarf höher als sonst – das gilt sowohl für das Basal- als auch für das Bolus-Insulin. In solchen Fällen kann man testweise seine Basalrate und die BE-Faktoren für ein paar Stunden erhöhen und den weiteren Blutzuckerverlauf beobachten. Auch bei einer Gewichtszunahme kann der Insulinbedarf steigen.

Tipp: Unbedingt daran denken, nach dem Abklingen des Infekts die Insulinmenge wieder zu reduzieren, um Unterzuckerungen zu verhindern.

Abenteuerliches Adrenalin

Bei wichtigen Prüfungen, sportlichen Wettkämpfen, aufregenden oder belastenden Ereignissen schüttet der Körper als Reaktion oft Adrenalin aus. Dies ist ein Stresshormon, das enorme Auswirkung auf den Blutzucker haben kann. Leider gibt es keine Formel, nach der man in solchen Fällen gezielt gegensteuern kann. Es bleibt nur die individuelle Blutzuckerkorrektur mit zusätzlichen Insulineinheiten.

Tipp: Entspannungs- oder Meditationsübungen können dabei helfen, in Stresssituationen ruhiger zu bleiben.

Achtung, Wechselwirkung!

Cortison ist ein Hormon, das den Blutzucker erhöht und die Insulinwirkung abschwächt. Bei einer Cortisontherapie können daher die Blutzuckerwerte tagsüber deutlich ansteigen und sich der Insulinbedarf erhöhen.

Tipp: Besprechen Sie mit Ihren behandelnden Ärzt*innen die Dosisanpassung des Insulins während der Cortisontherapie.

Die nächsten Schritte

Parallel zur Analyse der Fehlerquelle, warum das Insulin nicht (richtig) wirkt, gibt es einige Schritte, die dabei helfen, dass der Glukosestoffwechsel wieder in Lot kommt:

  • Bei hohen Glukosewerten (über 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l) sollte man eine Ketonmessung im Blut oder Urin durchführen, um eine Stoffwechselentgleisung (Ketoazidose) zu vermeiden.
  • Nachdem man je nach Fehlerquelle Maßnahmen ergriffen hat, sollte man seinen Blutzucker in den nächsten Stunden genau beobachten und gegebenenfalls eine Erinnerung am Smartphone, Messgerät oder CGM-Lesegerät programmieren, um in 30 oder 60 Minuten seinen Wert erneut zu kontrollieren.
  • Achtung: Wenn man bereits viel Korrekturinsulin verabreicht hat, das Insulin aber nur verlangsamt wirkt – zum Beispiel aufgrund einer Hautvernarbung an der Injektionsstelle – oder wenn man zu ungeduldig mit weiteren Korrekturen war, können Unterzuckerungen drohen, wenn plötzlich die (vielfache) Insulinmenge zu wirken beginnt.

Sinkt der Blutzucker auch weiterhin nicht, sollten Angehörige, Freund*innen oder Nachbar*innen informiert werden und ein*e Diabetologe*in aufgesucht werden. Diese*r kann auch bei eventuellen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten Auskunft geben und bei der Anpassung der Insulindosis beraten.

 

Quelle: Apotheken-Umschau: SOS, mein Insulin wirkt nicht! https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/diabetes/diabetes-blutzucker-sinkt-nicht-ausreichend-sos-mein-insulin-wirkt-nicht-894829.html. [zuletzt abgerufen 18.10.2022]

Text: Susanne Löw, freie Journalistin