Chirurgische Eingriffe bei Adipositas

Eine adipöse Frau sitzt an einem Tisch mit einer Ärztin. Sie sind im Gespräch. Die Ärztin füllt einen Bogen auf einem Klemmbrett aus.
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Adipositas, also starkes Übergewicht oder Fettleibigkeit, ist eine chronische Krankheit, die verschiedene Ursachen haben kann. Sie wird in drei Schweregraden angegeben – je nach Körpermasseindex, dem „Body Mass Index (BMI)“. Berechnet wird dieser als Quotient aus Gewicht und Körpergröße zum Quadrat (kg/m2), einen BMI-Rechner finden Sie hier. Ein BMI von 30 bis 34,9 wird als Adipositas Grad I definiert, ein BMI von 35 bis 39,9 als Adipositas Grad II und ein BMI von über 40 als Adipositas III.

Adipositas ist weit verbreitet: In Deutschland ist fast ein Viertel der Erwachsenen stark übergewichtig (BMI ≥ 30), also 23 % der Männer und 24 % der Frauen. Adipositas bedeutet ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen und Sterblichkeit und muss behandelt werden. Wenn konservative Therapien nicht (mehr) greifen, können auch „bariatrische“ Eingriffe, also Adipositas-spezifische Operationen, eine Möglichkeit sein. Zu den Voraussetzungen, Ausschlusskriterien und Fragen rund um die mögliche Kostenübernahme durch die Krankenkasse fragen Sie bitte Ihren Arzt bzw. Ihre Ärztin.

Hohe Remissionsrate

Gerade Menschen mit Typ-2-Diabetes können von Adipositas-chirurgischen Eingriffen profitieren. In einer Metaanalyse, also einer Zusammenfassung mehrere Untersuchungen wird laut „Versorgungsreport Adipositas“ (DAK-Gesundheit, 2017) davon berichtet, dass mit Blick auf Typ-2-Diabetes eine Remissionsrate von knapp 92 % erreicht werden kann. Das bedeutet, dass viele Menschen mit Typ-2-Diabetes nach einer OP ohne Medikamente normale Blutzuckerwerte erreichen können. Auch ist eine Gewichtsabnahme wahrscheinlicher als bei nicht-chirurgischen Methoden.

Es gibt verschiedene bariatrische Operationen, um Adipositas zu therapieren, darunter das Magenband, der Schlauchmagen, der Magenbypass, der Magenballon sowie die Biliopankreatische Diversion mit Duodenalswitch. Ob ein und welcher Eingriff geeignet ist, entscheidet sich unter anderem je nach Alter, Geschlecht, BMI und Begleitkrankheiten.

Bei minimal-invasiv Verfahren werden die OP-Instrumente und eine Kamera in den Bauch eingeführt – meist durch kleine Schnitte in der Bauchwand. Das bedeutet weniger Schmerzen nach der OP, seltenere Wundinfektionen und Narbenbrüche sowie eine schnellere Genesung. Trotzdem bedeutet natürlich jede OP ein Risiko. Unter idealen Bedingungen sind bariatrische Eingriffe generell mit einem verhältnismäßig geringen Risiko verbunden: Das Risiko zu versterben, liegt mit 0,3 % - und damit niedriger als die Wahrscheinlichkeit, an einer unbehandelten morbiden, also krankhaften, Adipositas zu sterben.

 

Welche OP-Verfahren gibt es?

Das Magenband

Ein Magenband soll dabei helfen, schneller satt zu sein und als Folge weniger Nahrung zu sich zu nehmen. So funktioniert es: Das Magenband aus weichem Silikon wird in einem minimal-invasiven Eingriff um den oberen Teil des Magens gelegt. So wird der Magen verkleinert und die Menge der aufgenommenen Nahrung begrenzt. Der kleinere, obere und der größere, untere Teil sind durch eine Öffnung unterhalb des Magenbands verbunden, die „Stoma“ genannt wird. Das Magenband ist nach der OP individuell verstellbar. Der Eingriff kann rückgängig gemacht werden.

Nach einem Jahr nehmen Menschen mit einem Magenband durchschnittlich 40 % bis 60 % ihres Übergewichts ab. Vor allem bei einem BMI bis zu 50 wird es erfolgreich eingesetzt. Allerdings müssen die Patient*innen dauerhaft eine hohe Selbstdisziplin beweisen und sich an kontinuierlich die (kleinen) Ernährungsmengen und -vorgaben halten. In den ersten vier Wochen nach der Entlassung sollten sie nur flüssige Nahrung zu sich nehmen.

Neben den Komplikationen, die bei jeder OP auftreten können, wie Blutungen, Infektionen, Lungenentzündungen oder Thrombosen, können auch Infektion des Auffüllreservoirs sowie Lecks des Verbindungsschlauches oder des Bandes und Penetration des Bandes (langsames Durchwandern in die Magenhöhle) auftreten. Spätkomplikationen können zudem die Zerstörung der Magenwand, Lageveränderungen des Magenbandes oder die Erweiterung der Speiseröhre sein.

Der Schlauchmagen

Bei der Bildung eines Schlauchmagens wird ein großer Teil des Magens entfernt. Auch das führt dazu, dass die Nahrungszufuhr durch einen kleineren Magen begrenzt wird. Außerdem werden bei diesem Eingriff Areale ausgeschaltet, die bestimmte Hormone produzieren. So steigt das Sättigungsgefühl zusätzlich.

Gerade zu Beginn kann nach so einem Eingriff ein guter Gewichtsverlust erreicht werden. Im Laufe der Zeit kann es aber sein, dass sich die Ernährungsweise anpasst oder auch der Schlauch gedehnt wird. Dann kann erneut ein Eingriff nötig sein. Vorteilhaft ist ein Schlauchmagen, weil die Magenfunktion fast normal erhalten bleibt. Dadurch gibt es keine Einschränkung für bestimmte Nahrungsmittel. Als effektiv erwies sich das Verfahren unter anderem für Patient*innen mit einem BMI >55 kg/m2. Dieses restriktive OP-Verfahren kann nicht rückgängig gemacht werden.

Das Risiko einer Schlauchmagen-OP ist höher als beim Magenband: So liegt das Risiko zu versterben bei bis zu 3,2 %. Als Komplikationen sind Leckagen oder Fisteln möglich, ebenso wie eine hochgradige Verengung des Magens als Spätfolge. Wichtig: Nach einer Schlauchmagen-OP muss lebenslang Vitamin B12 eingenommen werden.

Der Magen-Bypass („Roux-en-Y-Magenbypass“)

Bei einem Magen-Bypass (auch Roux-en-Y-Magenbypass genannt) wird der Magen ebenfalls verkleinert. Zusätzlich wird er in Form eines Y rekonstruiert. So werden Teile des Verdauungstrackts umgangen und Verdauungssäfte und der Nahrungsbrei fließen erst in der Mitte des Dünndarms zusammen. Die in Folge des kurzgeschlossenen Darms auftretenden hormonellen Veränderungen könnten dazu beitragen, dass Patient*innen schneller satt sind und weniger Hunger haben. Der Effekt: In den folgenden zwei Jahren nach der OP kann eine durchschnittliche dauerhafte Gewichtsreduktion von etwa 75 % erreicht werden.

Der Erfolg der antidiabetischen Magenbypass-Operation bei Menschen mit Diabetes lässt sich nicht ausschließlich auf den Gewichtsverlust zurückführen, den die Operation mit sich bringt. Denn oft verschwindet der Diabetes bereits unmittelbar nach der Operation und in einigen haben Ärzt*innen auch normalgewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes mit Erfolg operiert.

Auch diese Operation ist kein einfacher Eingriff und bringt Risiken mit sich. Ein weiterer Nachteil der Magenbypass-Operation ist, dass Menschen mit einer solchen Operation lebenslang Spurenelemente und Vitamine zu sich nehmen müssen.

Magenballon

Der Magenballon – in der Fachsprache auch BioEnterics Intragastrisches Ballonsystem (BIB) genannt – soll Menschen mit einem BMI ab 30 dabei helfen, eine Diät und ein gesundes Essverhalten beizubehalten. Dafür wird der dehnbare Ballon ohne chirurgischen Eingriff durch die Speiseröhre in den Magen eingeführt. Danach wird der leere Ballon im Magen mit Kochsalzlösung befüllt, sodass er frei im Magen schwimmen und ihn so teilweise füllen kann. Die Folge ist ein Gefühl der Sättigung. Der Ballon kann in der Regel sechs Monate verwendet werden. Nach der Tragezeit wird der vorab punktierte und geleerte Ballon erneut durch Speiseröhre entfernt. 

Durch den Eingriff können Übelkeit und Erbrechen entstehen. Eine Garantie für eine Gewichtsabnahme besteht nicht – gleichzeitig besteht das Risiko für einen unkontrollierten Gewichtsverlust. Wenn der Ballon vor Ende der Tragezeit vorzeitig in sich zusammenfällt, passiert er entweder von selbst den Darm oder muss chirurgisch entfernt werden. Weitere mögliche Komplikationen umfassen eine Verletzung der Verdauungstraktauskleidung und in Folge Geschwürbildung, Schmerzen, Blutung und Perforation. Bakterien im Ballon können zudem bei der Punktur Infektionen, Fieber, Krämpfe und Durchfall verursachen.

Biliopankreatische Diversion mit Duodenalswitch (BPD-DS)

Enorm große Gewichtsverluste sind bei Patienten mit einem BMI ab 55 mit einer biliopankreatischen Diversion mit Duodenalswitch (BPD-DS). Bei dieser Operation wird der Dünndarm fast vollständig von der Nahrungspassage ausgeschlossen, der Magen wird extrem verkleinert. Nur in einem kurzer Dünndarmteil fließen Nahrung und Verdauungssäfte zusammen. In den ersten Jahren nach dem Eingriff lassen sich so durchschnittlich 85 % bis 95 % des Übergewichts reduzieren. Auch in Langzeitstudien blieb der Verlust bei 75 % stabil.

Bei diesem Verfahren besteht allerdings besonders die Gefahr einer Mangelernährung. Daher müssen Betroffene auch nach dieser OP-Technik lebenslang bestimmte Nährstoffe als Ergänzung zu sich nehmen.

 

Weitere Informationen zu den verschiedenen Möglichkeiten der bariatrischen Chirurgie stellen beispielweise die Adipositaschirurgie Selbsthilfe Deutschland e.V. (AcSDeV) sowie die Deutsche Adipositas Gesellschaft zur Verfügung.
 

Quellen: AcSDeV, Deutsche Adipositas Gesellschaft, „Versorgungsreport Adipositas“ (DAK-Gesundheit, 2017)

Patientenleitlinie „Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen“. https://register.awmf.org/assets/guidelines/088-001p_S3_Chirurgie-Adipositas-metabolische-Erkrankugen_2020-06.pdf

 

Text: Susanne Löw, freie Journalistin