Neonataler Diabetes vs. Typ-1-Diabetes bei Kindern
Wird bei einem Neugeborenen oder Säugling in den ersten sechs Lebensmonaten ein Diabetes mellitus festgestellt, handelt es sich in fast allen Fällen um einen „neonatalen Diabetes mellitus (NDM)“. Nur bei 4 % der Kinder handelt es sich in dieser Lebensphase um einen Typ-1-Diabetes. Doch was ist der Unterschied?
Laut der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ (Version 4) der Deutschen Diabetes Gesellschaft wird NDM üblicherweise als Diabetes definiert, der auf einer Genveränderung beruht und der innerhalb der ersten sechs Lebensmonate diagnostiziert wird. Daneben gibt es aber auch einzelne NDM-Fälle nach dem ersten Lebenshalbjahr.
Konkret hat NDM in über 80 % der Fälle eine bekannte genetische Ursache – während Typ-1-Diabetes zwar auch eine genetische Prädisposition haben kann, aber durch einen fehlgeleiteten Eingriff des Immunsystems ausgelöst wird. Um die für NDM verantwortlichen Genveränderungen festzustellen, gibt es diverse Analysemethoden. Die Leitlinie empfiehlt eine molekulargenetische Diagnostik, wenn im ersten Halbjahr hohe Blutzuckerwerte und Diabetes festgestellt werden. Auch wenn ein antikörper-negativer Diabetes im zweiten Lebenshalbjahr auftritt (also ein Diabetes, bei dem es sich nicht um Typ 1 handelt), sollte eine solche Diagnostik durchgeführt werden. Insgesamt ist NDM eine seltene Erkrankung und kommt statistisch bei etwa einem von 100.000 Neugeborenen vor.
Zwei Formen des NDM
Bei rund der Hälfte der Fälle handelt es sich um einen „transienten neonatalen Diabetes mellitus“ (TNDM), der innerhalb der ersten Lebensmonate wieder verschwindet. Einige dieser Säuglinge mit NDM weisen oft ein niedriges Gewicht bei der Geburt auf, da bereits in der Gebärmutter ein Insulinmangel herrschte. Das können die Kleinen aber meist wieder aufholen. Eine Hyperglykämie in den ersten Lebenstagen bessert sich in der Regel auch mit dem Rückgang des NDM, wobei im weiteren Kindesalter immer noch eine Neigung zu Über- oder Unterzuckerungen auftreten kann. Außerdem manifestiert sich bei jedem Zweiten im späteren Kindesalter erneut ein Diabetes.
Bei der anderen Hälfte der Betroffenen, bei denen NDM bestehen bleibt, gibt es unterschiedliche genetische Ursachen. Generell zeigt sich NDM durch eine gestörte Insulinproduktion und einige Phänomene, die über die Bauchspeicheldrüse hinausgehen: Je nach genetischer Ursache zählen dazu neurologische Auffälligkeiten, die bis ins Erwachsenenalter fortbestehen können. Daneben können beispielsweise Herz-, Skelett- und Leberfehlbildungen, hämatologische Erkrankungen, Hautveränderungen sowie weiteren autoimmune Hormonerkrankungen auftreten. Eine genaue Diagnostik der zugrundeliegenden Genveränderungen ist daher wichtig, um den Verlauf und die Risiken einschätzen zu können.
Wie behandelt man NDM?
Im Fokus steht zu Beginn die Behandlung des hohen Blutzuckerspiegels respektive der Ketoazidose, falls es bereits zu einer Entgleisung gekommen ist. Das erfolgt – angelehnt an das Verfahren bei einem entgleisten Typ-1-Diabetes – meist über eine Therapie mit Insulin und Flüssigkeit. Eine Herausforderung besteht dabei darin, dass bei NDM meist ein sehr geringer Insulinbedarf besteht, eine andere, dass der schnelle Abfall des Blutzuckers durch die Insulingabe die jungen Säuglinge gefährden kann.
Falls nach der Stabilisierung des Blutzuckers weiterhin Insulin benötigt wird, empfiehlt die Leitlinie eine Therapie mit einer Insulinpumpe. Der äußerst geringe Insulinbedarf besteht dabei meist weiter, sodass ein verdünntes Insulin nötig sein kann. Einige NDM-Varianten sprechen zudem gut auf orale Sulfonylharnstoffe an, die auch bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommen. Seit 2018 existiert laut Leitlinie ein dafür in der EU zugelassenes Präparat mit dem Wirkstoff Glibenclamid. Insulin oder Sulfonylharnstoffe: Es gilt also auch für die Wahl der passenden Therapie, früh mithilfe der genetischen Diagnostik festzustellen, um welche NDM-Variante es sich genau handelt.
Parallel zur Insulintherapie und der Therapie der möglichen Begleiterscheinungen wird bei NDM wie bei Typ-1-Diabetes der Blutzucker kontinuierlich kontrolliert. Der HbA1c-Wert eignet sich laut Leitlinie erst nach den ersten 20 Lebenswochen als aussagekräftiges Kriterium für die Verlaufskontrolle.
Quelle: DDG