Michael Ecker (47) – Karriere vor Krankheit

Michael Ecker
Michael Ecker

Für ihn ist es Schicksal. Michael Ecker ist 30, als er in der Fußgängerzone von Landau am hellichten Tage umfällt wie ein Baum. Im Krankenhaus stellt man einen Blutzucker von 800 mg/dl fest, bei ihm wird „Mody Typ 2-Diabetes" diagnostiziert, eine seltene Form des Diabetes, die auf einem Gendefekt und der Störung der Betazellfunktion beruht. Es folgen drei Wochen Intensivstation und die Einstellung auf Insulin. Von nun an muss er mehrfach am Tage den Blutzucker messen und Insulin spritzen. Das Spritzen macht ihm nichts aus, das ständige Piksen in die Fingerkuppe schon.

Die Erkrankung kommt zu einem völlig ungünstigen Zeitpunkt. Michael Ecker ist ein Selfmade-Manager, der gerade zusammen mit seinem Partner die eigene Event-Firma FUTURECOM aufbaut. Da liegen schon über zehn Jahre harte Maloche hinter ihm, in denen er nur den Aufbau der Firma im Kopf hat, für einen gesunden Lebensstil bleibt da keine Zeit. Täglich gibt es Currywurst oder Fast Food, Unmengen an Cola. Bewegung? Fehlanzeige! Widerwillig versucht Michael Ecker, seinen Diabetes anzunehmen, stürzt sich weiter in Akquise- und Verkaufsgespräche, die das A und O des Eventgeschäfts sind, und findet es einfach nur unangenehm, mitten im Gespräch öffentlich Blutzucker messen zu müssen.

Je erfolgreicher er im Business ist, umso mehr vernachlässigt er seinen Diabetes. Das Piksen ist ihm zuwieder. Das geht sieben Jahre so, bis er beschließt, sich von seinem Diabetes nicht mehr bestimmen zu lassen. Er misst einfach nicht mehr, das Insulin dosiert er pi mal Daumen und startet beruflich so richtig durch: Seine Firma gehört mittlerweile zu den weltgrößten Non-Food-Caterern im Eventbereich. Mit einem cleveren Konzept gewinnt er den Auftrag zur FIFA WM 2006, bei der seine Firma alle VIP-Bereiche der Fußballstadien in Deutschland mit Gläsern, Besteck und Porzellan – alles aus einer Hand – ausstattet. 460 000 Gäste werden so optimal bewirtet. Auch die Formel 1 vertraut inzwischen auf Event-Guru Michael Ecker. Sein Unternehmen wächst zu dem größten seiner Branche weltweit, heute hat er circa 1 000 Mitarbeiter, die für 21 000 Veranstaltungen im Jahr verantwortlich zeichnen. Ein Leben im Turbogang, das ihm eine unbezahlbare Quittung serviert: Seine Gesundheit verabschiedet sich ebenfalls im Turbogang.

Er ist 45, als ihm vier Bypässe gelegt werden. Er hat einen Herzriss, die Niere tut es nicht mehr, zwei Stents in den Beinen, und er macht sich Sorgen um sein Sehvermögen. Die typischen Folgeerkrankungen eines nicht gut eingestellten Diabetes. Höchste Zeit, auf die Bremse zu treten. Nicht so für Michael Ecker, der die Karriere vor die Krankheit stellt und mit der Firma weiter expandiert. Es folgen weitere Einschränkungen, erst wird ein Zeh amputiert, dann zwei, dann drei, dann ist es der Fuß und im Oktober 2016 folgt der gesamte rechte Unterschenkel. Durch die Amputation wird ihm sein einziges Hobby neben dem Arbeiten genommen: der Motorsport. Er ist nun auf einen Fahrer angewiesen.

Auf die Frage, ob er etwas geändert hätte, ob er mehr auf sich und seinen Diabetes geachtet hätte, wenn er gewusst hätte, welche Einschränkung der Lebensqualität auf ihn zukommt, sagt Michael Ecker erstaunliche Worte: „Ich hätte definitiv nicht die Zeit dafür gehabt, gesünder zu leben, sonst hätte die Business-Qualität meiner Firma gelitten. Außerdem bin ich für 1 000 Mitarbeiter verantwortlich. Nein, ich hätte nichts geändert. Der Diabetes ist einfach mein Schicksal.“ Ein Schicksal, das er in dieser Ausprägung selbst herausgefordert hat.

Nicole Mattig-Fabian, März 2017