Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen: Der Therapie-Überblick für Eltern

Mädchen mit Sensor auf dem Schoß von Vater
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Die Diagnose Typ-1-Diabetes bei Ihrem Kind ist ein einschneidendes Erlebnis, das viele Fragen aufwirft und das Familienleben abrupt verändert. Moderne Therapieformen und Technologien bieten heute vielfältige Möglichkeiten, um Ihrem Kind ein weitgehend unbeschwertes Leben mit Diabetes zu ermöglichen. Ziel ist es, den Blutzucker optimal einzustellen (HbA1c < 7,0%) und die Lebensqualität Ihres Kindes zu sichern.

Nach der Diagnose: Der Beginn einer flexiblen und lebenslangen Diabetes-Therapie

Die Insulintherapie des Typ-1-Diabetes beginnt mit der Diagnose und wird während des Krankenhausaufenthalts individuell auf Ihr Kind abgestimmt. Da sich der Körper Ihres Kindes und seine Bedürfnisse ständig ändern – sei es durch Wachstum, Entwicklung oder den Alltag –, wird die Therapie regelmäßig angepasst. Alle drei Monate wird die Insulineinstellung Ihres Kindes in der Kinderdiabetologie überprüft und gegebenenfalls optimiert. Bei Unsicherheiten oder Überforderungen können Sie sich jederzeit an das Diabetesteam Ihres Kindes wenden. 

Kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM): Sicherheit durch den Follower-Modus

Das kontinuierliche Glukosemonitoring (CGM) ist ein Gamechanger für viele Familien mit Typ-1-Diabetes. Moderne Glukosesensoren messen den Glukosewert im Unterhautfettgewebe kontinuierlich und senden die Daten direkt an ein Empfangsgerät oder eine Handy-App. Dies ermöglicht Ihnen und Ihrem Kind, die Glukosewerte jederzeit im Blick zu behalten und bei zu hohen oder zu tiefen Werten eine Warnmeldung zu erhalten, und das alles ohne häufiges Fingerstechen.

Besonders wertvoll für Eltern ist der sogenannte Follower-Modus, den viele Systeme anbieten. So können Sie die Glukosewerte Ihres Kindes aus der Ferne verfolgen – sei es in der Schule, beim Sport oder wenn Ihr Kind bei Freund*innen ist.

Jugendliche bereitet ihren Insulinpen für das Insulinspritzen vor
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Regelmäßige Glukosemessung: Ein Muss für die Einstellung

Ob mit modernsten CGM-Systemen oder durch klassische Blutzuckermessungen über den Finger: Die regelmäßige Glukosemessung ist unverzichtbar für eine gute Diabeteseinstellung. Bei der Blutzuckermessung mittels Finger sind in der Regel 6 bis 12 Messungen pro Tag erforderlich, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Kontinuierliche Glukosemesssysteme bieten hierbei einen deutlichen Vorteil, denn es werden alle 1-5 Minuten Werte im Fettgewebe gemessen. So ist nur noch dann eine Blutzuckerkontrolle nötig, wenn z.B. das Wohlbefinden und der Sensorwert nicht zusammenpassen oder bei akuten Erkrankungen. 

Intensive Insulintherapie: Pen oder Pumpe?

Die Insulintherapie ist die Basis der Behandlung des Typ-1-Diabetes. Sie kann entweder mittels Insulin-Pens oder einer Insulinpumpe erfolgen.

  • Intensivierte Insulintherapie bei Typ-1-Diabetes (ICT): Bei der ICT wird der Grundbedarf an Insulin durch eine Dosis eines Langzeitbasalinsulins (Basal) am Tag gedeckt. Zusätzlich werden separate Injektionen von kurz wirksamem Insulin (Bolus) zu den Mahlzeiten oder zur Korrektur abgegeben. Diese Dosis ist abhängig vom aktuellen Blutzucker und dem Kohlenhydratanteil der Mahlzeit und wird mit Hilfe von sogenannten Kohlenhydrat-Faktoren berechnet. Sowohl Basis- wie auch Bolusinsulin wird in der Regel mithilfe eines Pens injiziert. 
  • Insulinpumpentherapie: Eine Insulinpumpe gibt kontinuierlich kleine Mengen schnellwirksamen Insulins ab (Basalrate), um den Grundbedarf zu decken. Zusätzliche Insulinmengen (Boli) werden manuell über die Pumpe abgegeben, wenn Ihr Kind isst oder eine Korrektur benötigt. Die Nutzung von Insulinpumpen hat in den letzten Jahren in allen Altersgruppen zugenommen und gilt bei Kindern als Standardtherapie.

Es gibt verschiedene Pumpenmodelle, die unterschiedliche Funktionen und Eigenschaften aufweisen. Außerdem sollten Sie beachten, dass nur wenige Pumpen für sehr kleine Kinder zugelassen sind. Informieren Sie sich am besten bei Ihrem Diabetes-Team. 

AID-System: Die Zukunft der Diabetestherapie

Die Automatische Insulin-Dosierung (AID) ist eine fortschrittliche Technologie, die den Alltag mit Typ-1-Diabetes erheblich erleichtern kann. Sie kombiniert drei wichtige Komponenten, um die Insulinabgabe weitgehend zu automatisieren:

Omipod Pumpe an Kinderarm
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  1. Glukosesensor (CGM): Misst kontinuierlich alle paar Minuten die Glukosewerte im Unterhautfettgewebe. 
  2. Insulinpumpe: Erhält die Berechnungen vom Algorithmus und gibt die entsprechende Insulinmenge über eine Nadel im Körper ins Unterhautfettgewebe ab.
  3. Algorithmus: Empfängt die Glukosewerte vom Sensor und berechnet, basierend auf komplexen Algorithmen, automatisch, wie viel Insulin Ihr Kind benötigt, um die Glukosewerte im Zielbereich zu halten. Dieser Algorithmus befindet sich entweder in der Insulinpumpe, in einem Handgerät (PDM) oder in einer Handy-App. 

Derzeit sind in der Regel hybride AID-Systeme im Einsatz, also noch nicht vollständig „geschlossene Systeme“. Das bedeutet, dass zu den Mahlzeiten weiterhin Kohlenhydrate eingegeben werden müssen, die Systeme aber den basalen Insulinbedarf in bestimmten Grenzen automatisch regeln. Die Blutzucker-Einstellung ist damit besser und stabiler als unter allen anderen Therapieformen, z.B. ICT oder Insulinpumpe und Sensor ohne Automatisierung. Eltern und Kinder erleben viele ruhige Nächte ohne Unter- und Überzuckerungen, da die Systeme nachts besonders gut arbeiten und auch tagsüber sind die Glukoseschwankungen viel geringer. 

Besonderheiten bei Kleinkindern mit Typ-1-Diabetes

Kleinkinder haben einen geringen Insulinbedarf, haben wechselnden Appetit und oft fieberhafte Infekte. Die Insulintherapie ist dadurch herausfordernder. Kleinkinder profitieren ebenfalls sehr stark von AID-Insulinpumpen, mehrere Modelle sind ab 2 Jahren zugelassen. 

Besonderheiten bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes 

Mit dem Einsetzen der Pubertät verändert sich auch der Insulinbedarf Ihres Kindes. Das Wachstumshormon führt zu einer Insulinresistenz mit insgesamt hohem Insulinbedarf, ganz besonders in den frühen Morgenstunden bis zum Vormittag. Die modernen AID-Pumpen können diesen Bedarf minutengenau mit einer passenden Insulinmenge abfangen, so dass hohe Glukosewerte durch das Körperwachstum kaum noch ein Problem darstellen. In der Pubertät lässt die Motivation für die disziplinfordernde Insulintherapie meist deutlich nach, in dieser Phase ist Ermutigung und Erhalt einer guten Stoffwechsellage unter Einsatz aller technischen Hilfsmittel das Ziel. 

 

Quellen

PMC, DDG S3-Leitlinie, diabinfo, DDG