Spätes Essen: Nicht gut für den Glukosestoffwechsel

Wie beeinflusst der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme den Glukosestoffwechsel und die Insulinempfindlichkeit? Dieser Frage ging Olga Ramich, Heisenberg-Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) nach. Außerdem untersuchten Ramich und ihr Team den Einfluss von genetischen und umweltbedingten Parametern auf die individuellen Essgewohnheiten.

Dafür nutzten die Wissenschaftler*innen Daten aus einer Zwillingskohorte: An der NUtriGenomics Analysis in Twins (NUGAT)-Studie, die von Prof. Andreas F. H. Pfeiffer initiiert und konzipiert und von 2009 bis 2020 am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) durchgeführt wurde, nahmen 46 eineiige und zweieiige Zwillingspaare ohne Diabetes mellitus teil. Die Teilnehmenden führten fünf Tage lang Ernährungstagebuch über ihre Essenszeiten und -mengen, während der individuelle Schlaf-Wach-Rhythmus ermittelt wurde. Zudem fanden Stoffwechseltests wie ein Blutzuckerbelastungstest statt. Darüber hinaus wurde das zirkadiane Timing des Essens bestimmt: Wann isst jemand im Verlauf des Tages – in Bezug auf den individuellen biologischen Tagesrhythmus, nicht auf die Uhrzeit.

Zum Hintergrund erklärt das DZD: Das zirkadiane System ist ein hierarchisch aufgebautes 24-Stunden-Zeitsteuerungssystem im Körper, das Verhalten und Stoffwechsel über eine zentrale Uhr im Gehirn und periphere Uhren in Organen wie Leber oder Bauchspeicheldrüse reguliert. Dadurch verarbeitet unser Körper dieselbe Nahrung abhängig von der Tageszeit unterschiedlich. Die Folgen: tageszeitliche Schwankungen im Glukosestoffwechsel und der Hormonausschüttung nach einer Mahlzeit.  

Einfluss auf Insulinempfindlichkeit

Eine Erkenntnis von Ramich und ihren Kolleg*innen: Früheres Essen fördert gesunden Stoffwechsel. Die Wissenschaftler*innen ermittelten den zirkadianen kalorischen Mittelpunkt (CCM) als den Zeitpunkt am Tag, zu dem rechnerisch die Hälfte der Tageskalorienmenge aufgenommen wurde. Ein späterer CCM bedeutet demnach, dass jemand hauptsächlich später am Tag isst – in Bezug auf den individuellen Chronotyp.  

„Menschen, die ihre Hauptkalorien früher im Tagesverlauf zu sich nahmen, hatten eine bessere Insulinempfindlichkeit“, konkretisiert Ramich. „Auf der anderen Seite zeigten Proband*innen, die ihre Hauptkalorien erst spät am Tag aufnahmen, eine verminderte Insulinempfindlichkeit, was mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes einhergeht.“ Darüber hinaus hatte diese Gruppe einen höheren Body-Mass-Index und einen größeren Taillenumfang.

Außerdem stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass Gene beeinflussen, wann wir essen. Dafür verglichen sie das Essverhalten der eineiigen mit dem der zweieiigen Zwillinge und schätzten mithilfe spezieller mathematischer Modelle ab, wie stark der Zeitpunkt des Essens auf Gene, gemeinsame Umwelt oder individuelle Erfahrungen zurückzuführen ist. Die Studie belegt demnach, dass verschiedene Parameter des täglichen Essenszeitmusters bis zu 60 % genetisch beeinflusst werden.

Die Forschenden ziehen daher wie folgt Bilanz: Wer seine Hauptkalorienaufnahme auf frühere zirkadiane Zeiten verlegt, könnte seinen Glukosestoffwechsel verbessern sowie sich vor Typ-2-Diabetes und Übergewicht schützen. „Da die Essenszeiten jedoch teils erblich bedingt sind, dürfte es einigen Menschen schwerfallen, ihre Gewohnheiten zu ändern“, ergänzt Ramich – und gibt zu bedenken: „Um die Wirksamkeit von Interventionen, die auf der Essenszeit basieren, besser zu verstehen, sind weitere Validierungsstudien und klinische Untersuchungen nötig."

Der Artikel zur Studie ist im Journal „eBioMedicine“ (Juni 2025) erschienen.

Quelle: Deutsches Zentrum für Diabetesforschung (DZD)

Text: Susanne Löw 

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