Kurzinterview mit Autorin Maren Sturny

Maren und Nonie Sturny
© Timm Kellermann

Wir haben mit Maren Sturny, der Autorin von „Rock Around the Clock mit Diabetes Typ 1“ gesprochen, deren Tochter beinahe an einer Ketoazidose verstorben wäre, weil niemand die Warnzeichen erkannt hat.

1. Fiorella erzählt in ihrem Video, dass sie beinahe gestorben wäre, weil niemand die Warnzeichen des Typ-1-Diabetes erkannt hat. Welche Erfahrungen haben Sie bei der Diagnose Ihrer Tochter Nonie gemacht?

Auch bei uns wurden die Symptome, die eindeutig auf Diabetes Typ 1 hingewiesen haben, nicht richtig gedeutet. Unsere Tochter litt über Wochen an ungewöhnlicher körperlicher Erschöpfung, Übelkeit, hat stark abgenommen in der Zeit und war sehr durstig. Ich schob das als Dreifachmutter auf alles Mögliche und zudem war es ungewöhnlich heiß draußen. Diabetes Typ 1 kam nicht in Betracht, denn für mich war das eine für uns nicht relevante Erbkrankheit. Auch in unserem Umfeld kannte sich niemand aus und bei der Schuleingangsuntersuchung wurde auf Diabetes Typ 1 nicht getestet. Da hätte man es wahrscheinlich entdeckt. 

Das war im Sommer 2019, und auch bei uns war es dann sehr knapp. Mit einem Blutzuckerwert von über 900 in die Notaufnahme eingeliefert, sagten die Ärzte, dass man 12 Stunden später nichts mehr für unsere Tochter hätte tun können, weil die Dehydrierung schon so stark fortgeschritten war. Nonie musste 3 Tage künstlich ernährt werden. „Ist doch nur Diabetes,“ sagen einige, wenn man ihnen heute von der Krankheit erzählt. Aber gerade dieser „nur Diabetes“ hätte unserer Tochter fast das Leben gekostet. Da es eben „nur Diabetes“ ist, beschäftigen sich aus meiner Sicht viele gar nicht erst mit dieser Erkrankung. Im Volksmund sind die Menschen, die an Diabetes erkranken, ja immer noch meist selbst daran schuld, weil sie sich falsch ernähren und / oder nicht genügend bewegen. 

Niemals wäre ich von selbst auf Diabetes Typ 1 gekommen, dachte sogar, es gäbe im Krankenhaus eine Verwechslung und das würde sich noch aufklären. Keine der offiziellen Awareness-, Präventions- und Aufklärungskampagnen war bis zu mir durchgedrungen, auch Fri1da nicht, obwohl wir seit 2015 in Bayern leben. 

2. Was müsste sich aus Ihrer Sicht ändern, damit bei allen Kindern rechtzeitig erkannt wird, dass sie Typ-1-Diabetes haben und medizinische Hilfe benötigen?

Ich würde mir wünschen, dass die Aufklärung von Eltern in Bezug auf Typ-1-Diabetes als häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland inkl. Testung einer Prädisposition verpflichtend mit in die U-Untersuchungen aufgenommen wird. Diese Prädisposition kann heutzutage ja im Rahmen der „Freder1k-Studie“ oftmals schon wenige Tage nach der Geburt festgestellt werden. Ich würde mir wünschen, dass dieser Test allen Eltern nahegelegt wird, vielleicht sogar verpflichtend durchgeführt wird. Durch Prävention und Frühdiagnose können betroffene Familien mit Medizinern und Wissenschaftlern optimal Hand in Hand arbeiten, natürlich unter der Voraussetzung, dass hierfür genügend Gelder zur Verfügung gestellt würden.

Was aus meiner Sicht allen werdenden und Frischeltern eingänglich erklärt werden müsste, ist, dass bei einer festgestellten Prädisposition die Lebensqualität der betroffenen Kinder mithilfe von Medizin und Wissenschaft deutlich erhöht werden kann, aber eben vor allem dann, wenn diese Prädisposition möglichst frühzeitig entdeckt wird. 

3. Sie betreiben einen Instagram-Kanal (@diabetesbluemchen) und haben sogar ein Buch über Ihre Erfahrungen geschrieben. Warum haben Sie sich entschlossen, in die Öffentlichkeit zu gehen?

Ich möchte Typ-1-Diabetes-Familien helfen und allgemein im Umfeld von Kindern, also durch Elternarbeit, aber auch im Bereich Fachpersonal für Kindertagespflege und im schulischen Umfeld sowie in Zusammenarbeit mit Kinderärzten, aufklären mit meiner Arbeit und damit Familien den Weg in den Alltag mit dieser chronischen Autoimmunerkrankung erleichtern. Vielleicht können wir mit vereinten Kräften, also Diabetescommunity, Wissenschaft, Industrie und Politik, durch gezielte Kommunikation und gezieltes Handeln in Bezug auf Prävention und Früherkennung ihren Ausbruch sogar gänzlich verhindern. 

Zwei Jahre hat es bei mir gedauert, die Coronazeit war hier sicherlich nicht hilfreich, um bezüglich des Diabetes Typ 1 unserer Tochter in die Akzeptanz zu kommen und wieder nach vorne schauen zu können. Die Diagnose traf uns vollkommen aus dem Off und ihre Tragweite für unseren Familienalltag war uns in keinster Weise bewusst. In der Zeit habe ich viel recherchiert, gelesen und verarbeitet, zunächst versucht, einen Weg aus der Endgültigkeit der Diagnose zu finden. 

Viele, und besonders die frisch diagnostizierten Familien, kämpfen, wie wir anfangs, mit Überforderung, Wut, Trauer, dem Nicht-Wahrhaben-Wollen und damit, dass sich ihr Alltag von quasi einem Tag auf den anderen massiv ändert. Ich teile mit dem Buch und auch auf Instagram unseren Weg in die Akzeptanz. Ich möchte an die Hand nehmen, aufklären und durch die Transparenz unseres bunten Diabetesfamilienalltags zeigen, dass wir uns als Diabetescommunity gegenseitig unterstützen können. Auf welche Weise? Dadurch dass wir schöne und schwierige Momente teilen, füreinander da sind, Fehler machen, zu ihnen stehen, daraus lernen und uns rege austauschen. 

Lesen Sie mehr zur Aufklärungskampagne und den Warnzeichen des Typ-1-Diabetes.

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