Kann die geplante Ernährungsstrategie der Bundesregierung den Anstieg von Diabetes Typ 2 mindern?

Özdemir will, FDP und SPD bremsen: Prävention auf dem Abstellgleis

FC Diabetologie vs. FC Bundestag 2024: Die Mannschaft
© Deckbar/diabetesDE
Berlin

In Deutschland gibt es inklusive Dunkelziffer 11 Millionen Menschen mit Diabetes und jede Minute kommt eine Neuerkrankung hinzu. Anlässlich des traditionellen jährlichen Fußballspiels des FC Bundestag gegen den FC Diabetologie am Dienstag, den 25. Juni 2024 in Berlin diskutierten mehrere Bundestagspolitiker, Krankenkassenvertreter und Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, mit Bundesminister Cem Özdemir (Die Grünen) in der sogenannten 3. Halbzeit Maßnahmen der Ernährungsstrategie zur Eindämmung von Diabetes Typ 2. Erwartungsgemäß lagen die Vorstellungen einer guten, gesunden Ernährung von Özdemir und Dr. Gero Hocker (FDP) weit auseinander – zum Unverständnis von Kröger und Co..

„Welche Maßnahmen einer Ernährungsstrategie können bei der Prävention des Typ-2-Diabetes helfen?“ war das Motto der rund 45-minütigen politischen Podiumsdiskussion. Teilnehmende waren neben Cem Özdemir und Dr. Gero Hocker auch Dietrich Monstadt (MdB, CDU), Oliver Huizinga (Abteilungsleiter Prävention AOK Bundesverband), Kai Swoboda (Stellvertr. Vorstandsvorsitzender IKK classic) und Dr. med. Jens Kröger (Vorstandsvorsitzender diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe). Die Moderation übernahm Wolfgang van den Bergh, langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der ÄrzteZeitung.

„Wie wir leben und uns ernähren, beeinflusst unsere Gesundheit. Eine Folge kann Diabetes Typ 2 sein, daran ist bereits mehr als jeder zehnte Mensch in Deutschland erkrankt“, sagte Bundesminister Cem Özdemir. „Und bei der Gesundheitsförderung müssen wir bei den Kleinsten anfangen. Daher bin ich dafür, dass jedes Kind in Deutschland ein gesundes Essen aus regionalem Anbau erhalten sollte. Der gesellschaftliche Anspruch sollte sein, in die Gesundheit unserer Kinder zu investieren. Dazu gehören auch Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel und eine Zuckersteuer.“

Dem hielt Dr. Gero Hocker entgegen, dass in Ländern wie Mexiko oder Großbritannien, wo die Zuckersteuer eingeführt worden sei, Adipositas nicht zurückgegangen sei. „Wir setzen auf Ernährungsbildung und mehr Bewegung im Alltag, anstatt eine Zuckersteuer zu erheben.“

Dietrich Monstadt (CDU) hielt dagegen, dass „eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie für eine Zuckerreduktion nicht stattfindet, hier braucht es mehr Verbindlichkeit, da bin ich auf der Linie von Minister Özdemir und nicht bei der FDP.“

Kai Swoboda, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der IKK classic, machte deutlich, dass die Krankenkassen derzeit nur einen Bruchteil für Prävention ausgeben im Vergleich zu der hohen Krankheitslast. Dabei sei es wichtig, jedem Einzelnen entsprechende Präventionsangebote zu machen, um Krankheit zu verhindern, sonst sei das Gesundheitssystem irgendwann nicht mehr finanzierbar.

Ähnlich sah dies Oliver Huizinga, Leiter Prävention des AOK Bundesverbandes: „Wir müssen viel mehr gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse und eine gesunde Ernährungsumgebung schaffen angesichts der sehr, sehr hohen derzeitigen Krankheitslast.“ Ihn wundere, dass Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach mit dem Entwurf des „Gesunden-Herz-Gesetzes“ ausgerechnet jetzt vorhabe, die Gelder für individualisierte Prävention zugunsten von mehr Medikamenten zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankung eklatant kürzen zu wollen. Somit würde die Vermeidung von Erkrankungen entschieden in den Hintergrund gerückt werden.

Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE- Deutsche Diabetes-Hilfe, betonte: „Wir haben die Ernährungsstrategie aus dem Hause Özdemir sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, denn wir brauchen viel mehr Verhältnisprävention. Hier ist der Minister im Eilschritt vorangegangen, aber irgendjemand in der Ampelkoalition scheint hier ständig den Fuß auf der Bremse zu haben. Dabei wäre es ein Game-Changer, wenn wir konsequent Ernährungs-Primär-Prävention bei den Allerkleinsten implementieren würden, damit erst gar kein Übergewicht entsteht: Werbeeinschränkungen für ungesunde Lebensmittel bei Kindern, höhere Mehrwertsteuer auf zuckerhaltige Getränke und verpflichtende DGE-Standards für Kita- und Schulessen. Es gibt genügend Studien, die belegen, dass dadurch nicht nur viel Leid verhindert werden, sondern auch enorme Kosten eingespart würden.“

In Bezug auf die Planung eines „Gesunden-Herz-Gesetzes“ ergänzte Kröger: „Ich bin gerade zu entsetzt über das Verschieben von Prävention aufs Abstellgleis. Das ist unverantwortlich, wir haben die Menschen mitzunehmen mit gesunden Ernährungs- und Bewegungsangeboten. Auch hier steht jemand auf der Bremse.“

Das Fußballspiel gewann im Übrigen der FC Diabetologie gegen den FC Bundestag mit 4:1.

Die Veranstaltung wurde ermöglicht durch ein Sponsoring von Abbott, Astra Zeneca, Grünenthal und IKK Classic.